FRANK VIEHWEG
wurde
am 18. September 1960 in Wolgast (ehem. DDR)
geboren.
Er lebt und arbeitet in Berlin als Liedermacher,
Textautor und Nachdichter.
Ähnlich wie Jaromir Nohavica, bekam er anfangs
Akkordeon-Unterricht und erlernte später
autodidaktisch das Gitarrespiel. Eine weitere
Analogie beruht darauf, dass er in den 80er Jahren
(nach Abitur, Armeezeit und einem Partei- und
FDJ-Ausschluß) in einer Stadtbibliothek arbeitete.
Frank Viehweg
präsentierte seit Beginn seiner freiberuflichen
Tätigkeit 1985 zahlreiche eigene Konzertprogramme.
Seine Texte sind vielleicht am ehesten mit einem
Begriff wie „politische Liebeslieder“ zu
beschreiben. Die „Märkische Oderzeitung“ meint:
„Frank Viehweg gehört nicht nur zu den
herausragenden Liedermachern seiner Generation. Er
ist im besten Sinn ein Liederdichter, der seine
Sprache an großen Vorbildern seines Genres in Europa
und Lateinamerika geschult hat. Zärtlich, aber nicht
sentimental, leidenschaftlich, aber nicht lärmend,
kraftvoll ohne Aggressivität - so setzen sich
Viehwegs Lieder im Kopf fest.“
Ebenfalls Mitte der 1980er Jahre begann er mit der
Übertragung fremdsprachiger Lieder. Bis zum heutigen
Tag liegen Nachdichtungen aus dem Spanischen,
Englischen, Russischen, Tschechischen und
Griechischen vor. Zu seinen bevorzugten Autoren
gehören Silvio Rodríguez (Kuba), León Gieco
(Argentinien), Oleg Mitjajew, Juri Schewtschuk
(Russland) und Jaromír Nohavica (Tschechische
Republik). Frank Viehweg profilierte sich außerdem
mit der Übertragung von Shakespeare-Sonetten, die er
in eigener Vertonung singt.
Eine
freundschaftliche Zusammenarbeit verbindet Frank
Viehweg mit dem Dichter Henry-Martin Klemt, dem
Musiker und Produzenten Matthias Nitsche, der Gruppe
Cantaré, Scarlett O' & Jürgen Ehle und der Sängerin
Gina Pietsch.
DISCOGRAFIE
„Der
Sture“ (1996)
„Liebeslieder nach 12“ (2000)
„Ich
rief dich oft“ (2001)
„Mein
Grund“ (2003)
„Spurensicherung“ (2006)
BIBLIOGRAFIE
„Kein
wirkliches Ende“ (1991)
„Liebeslieder nach 12“ (1997)
„An
alle. An dich“ (2001)
„Ich rief dich oft“ (2002)
„Eine andere Stimme“ (2004)
„Nimm alles was ich liebe“ (2005)
„Letzte Chance“ (2005)
„Verschwunden ohne Spur“ (2007)
offizielle Website:
http://www.frankviehweg.de
TEXTÜBERSETZUNGEN
- JAROMIR NOHAVICA
ALS SIE MICH
ZUR FAHNE ZOGEN / Když mì brali za vojáka
ANS ANDERE UFER /
Pøevez mì pøíteli
Alter Mann /
Starý
muž
AMERIKA
Auf dem Theaterhof
/ Na
dvoøe divadla
AUSGELAUGT
/
Unaven
Blasse Saiten /
Dlouhá tenká struna
Blumen zur Nacht
/Snìženky
BRIEFE OHNE NAMEN
/ Dopisy bez podpisu
DANSE MACABRE
DAS MORDEN IST
VORBEI / V tom roce pitomém
DEIN KLEID /
Košilka
Der Himmel
/Nebe je tu
Der Komet /
Kometa
DIE FAHRNDEN SPIELLEUTE / Potulní kejklíøi
DU LIEGST IN DER WANNE / Zatímco se koupeš
Ein
herabgestürzter Engel / Polámaný andìl
touhy
EINFACH SO / Nic moc
ERHÄNGT! /
On se obìsil!
GEB
ICH NICHT HER / To nechte být
Ich brenne
/ Planu
ICH NICHT
/ Já neumím
KOMM UND TANZ
/ Zatanèi
LEICHT VERSCHRAMMT / Mám jizvu na rtu
LITANEI AM ENDE DES JAHRHUNDERTS / Litanie u
konce století
LOTMANNSHAGEN
/ Dolní Lhota
MAUS AM ENDE DES
SOMMERS / Myš na konci
léta
MEIN
FREUND / Pøítel
MEINE ENGEL
/Andìlé moji
Maøenka
NEVER MORE
PLEBS-BLUES
ROBINSON /
Robinzon
Sarajevo
SILHOUETTE /
Silueta
Solange man singt
/
Dokud se zpívá
TELEGRAMM
/Telegram
VERGANGENHEIT
/Minulost
Vergrämtes Herz
/
Moje
smutné srdce
VON EINEM ANDERN
STERN / Ty ptáš se mì
WAS ICH NICHT HABE / To co nemám nemùžu ti dát
WAS SOLL SEIN
/Jiné to nebude
Wie im Wald ein durstiges
Tier /
Jako
jelen když vodu chce pít
WIR SIND ALT GEWORDEN, LIEBE / Zestárli jsme
lásko
ZIELLOSES SCHIFF
/Zbloudilý koráb
Den Nachdichtungen von Frank Viehweg liegen
Interlinearübersetzungen zugrunde.
Frank bedankt sich herzlich bei Leszek Berger,
Magdalena Krause und Jan Vlasák.
ALS SIE MICH
ZUR FAHNE ZOGEN /
Když mì brali za
vojáka

Als sie mich zur Fahne zogen
Schoren sie mir auch den Kopf
Und wie alle, die sie holten
Stand ich da wie’n dummer Tropf
Sperrten mich in die Kaserne
Lehrten mich so allerhand
Wie ein wackerer Muschkote
Sicher schützt sein Vaterland
Und ich zog mir in den Nächten
Meine Decke bis ans Kinn
Dachte an mein liebes Mädchen
Gab mich meiner Sehnsucht hin
Nach sechs Monden zur Besuchszeit
Lag ich just im Lazarett
Auf dem Flur ein Rumgepolter
Das Debakel war komplett
Und mir kamen fast die Tränen
Und sie hielt es nicht mehr aus
Sie war jung und ausgehungert
Und was resultiert daraus –
Einen Hauptmann mit vier Sternen
Traf sie auf dem Weg zum Tor
Und er wußte eine Höhle
Und sie lieh ihm gern ihr Ohr
Mensch, was sagst du dem Soldaten
Wenn ihn seine Braut verrät
Tschüß, mein lieber Kurt Tucholsky
Jetzt, wo schon das Lied verweht
Es ist, sagst du mir diskret
Nichts, was im Parnass besteht
Frank
Viehweg © 2008
ANS ANDERE UFER /
Pøevez mì
pøíteli

Bring mich ans andere Ufer, mein Freund
Bring mich hinüber, so ist es gemeint
Vielleicht nur ein paar Stufen
Für den Moment laß ich alles hier stehn
Dann fahrn wir wieder, ich will nur mal sehn
Nach denen, die mich rufen
Setz mich, mein Freund, in dein schwankendes Boot
Nenn mir den Preis, ich zahl alles zur Not
Ich fühl mich schlecht alleine
Letzte Nacht traf mich von Ferne ein Ton
Aus einem Schifferklavier, ich weiß schon
So spielte nur der eine
Liebe und Tod sind nur ein Augenblick
Küsse Eurydikes, fast wie ein Trick
Verloren in der Weite
Schaumbedeckt schlagen die Wellen den Steg
Keiner der Lebenden findet den Weg
Auf jene andre Seite
Frank
Viehweg © 2008
ALTER MANN /
Starý
muž

Wenn
ich ein alter Mann bin
Les’
ich alte Bücher und
Schau
jungen Mädchen hinterher
Wenn
ich ein alter Mann bin
Weiß
ich noch wie heut den Grund
Daß
ich dich liebte immer mehr
Ich
kauf mir Pergament und Farben und dann
Sitz
ich am Fluß wie’n Weiser aus dem Reich der Mitte
Und
bin ein alter Mann
Wenn
ich ein alter Mann bin
Zieh
ich in ein altes Haus
Und
träume einen alten Traum
Wenn
ich ein alter Mann bin
Geh
ich einmal täglich aus
In’s
Café „Unterm Lindenbaum“
Ich
kauf mir Pergament und Farben und dann
Seh
ich den Leuten zu, die durch das Leben eilen
Und
bin ein alter Mann
Wenn
ich ein alter Mann bin
Trag
ich einen alten Frack
Und
einen Hut bei Sonnenschein
Wenn
ich ein alter Mann bin
Pfeif
ich auf den Zeitgeschmack
Und
trinke meinen Lieblingswein
Ich
kauf mir Pergament und Farben und dann
Schweig ich wie jene schweigen, die längst alles
wissen
Und
bin ein alter Mann
Frank Viehweg © 2004
AMERIKA

Zwischen zwei betagten Kirchen
Liegt
mein altes Städtchen
Und
von hinterm Weltenmeere
Schreibt mein liebes Mädchen
Grad
mal eine Zeile
Wie in
großer Eile
Daß
ihr Herz im Land der Freiheit
Meine
Sehnsucht teile
Wilde
Vögel seh ich überm
Sagenberg entschwinden
Und
ich schick dir meine Grüße
Mit
der Post der Winde
Und
was ich geschrieben
Wirst
du morgen kriegen
Daß
mein Herz dir folgen möchte
Doch
es kann nicht fliegen
Frank Viehweg © 2008
AUF DEM THEATERHOF
/ Na dvoøe divadla
Auf
dem Theaterhof
Les
ich dir Shakespeare vor
Auf
dem Theaterhof
Stirbt
Hamlet wie zuvor
Die
Sonne zaubert wach
Ein
paar Kulissen her
Durchs
Fenster droht uns, ach
Ein
Mime ordinär
Dem
Mimen bleiben noch
Fünf
Jahr’ bis zur Pension
Danach
kriegt Shakespeare doch
’ne
neue Dimension
Kein
Vorhang ist gespannt
Hier
sitzt kein Publikum
Und
niemand schluchzt pikant
Und
niemand schreit herum
Ob
Messer oder Schwert
Das
Blut ist nichts als Blut
Hier,
wo man sich begehrt
Und wo
man zürnt vor Wut
Ich
setz mich auf den Zaun
Du
sitzt auf einem Faß
Und
jeder ist sein Clown
Und
spielt sein Wer-Wie-Was
Wir
wolln kein Engagement
Noch
Prämien pro Quartal
Und
Hamlet, en passant
Lebt
weiter allemal
Auf
dem Theaterhof
Spieln
wir’n Theaterstück
Frank Viehweg © 2008

Ausgelaugt
Von
einem langen Tag
Und
seinen Plänkelein
Von
Scheingefechten und
Verlognen Schmeichelein
Ich
bin hundemüd
Vor
der Nacht
Und
will nichts als Schlaf
Dein
Feuer flackert sacht
Und
vom Fluß die Kälte
Dämmriges Quartier
Über
uns der Himmel
Und
ich finde Zuflucht in dir
Abgetaucht
In
deinen schwachen Armen
Niemand findet mich
Gewickelt in ein warmes Tuch
Schon
falle ich
In ein
Irgendwo
Aus
der Nacht
Wo der
Anfang war
Dein
Feuer flackert sacht
Und
vom Fluß die Kälte
Dämmriges Quartier
Über
uns der Himmel
Und
ich finde Zuflucht in dir
Frank Viehweg © 2002
BLASSE SAITEN /
Dlouhá tenká struna

Wie
verstimmte blasse Saiten
Die zu
schwachem Ton sich regen
Wie
der Mond verzerrt zuzeiten
In den
Pfützen auf den Wegen
Wie
ein Wrack im letzten Hafen
Ein
Almosen, kalt gespendet
Wie
ein Sturmgeläut im Schlafen
Das
den besten Traum beendet
So zerfrißt mich böses Leiden
Frißt mich auf mit Haut und Haaren
Nur ein dunkler Ton der Saiten
Scheint sich mir zu offenbaren
So nur klingen meine Lieder
So nur klingen meine Lieder
Und die Welt stürzt auf mich nieder
Wie
ein Blatt am Ast alleine
In der
Jahreszeitenwende
Wie
zwei Hände, nur nicht deine
Kalte
Hände, fremde Hände
Wie
die Schwüre alter Zeiten
Töricht in bizarrem Reigen
Wie
mein Flehn und Widerstreiten
Wie
dein hoffnungsloses Schweigen
So
zerfrißt mich ...
Wie
die Kreuzlast, die ich trage
Ungewollt und ohne Glauben
Wie
das fünfte Rad am Wagen
Wie
die hochgehängten Trauben
Wie
der erste Schrei im Leben
Wie
das letzte Auferstehen
Wie
die Hoffnung im Entschweben
Wie
die Liebe im Vergehen
So
zerfrißt mich ...
Frank Viehweg © 2008
BLUMEN ZUR NACHT
/Snìženky

Ich
legte auf das leere Kissen
Statt
deiner goldgelbe Narzissen
Blumen
zur Nacht
Am
Fenster sah ich weiße Tauben
Ich
wollt der Einsamkeit nicht glauben
Und
hab das Licht ausgemacht
Ich
schlief und träumte – schon vergessen
Weiß
nur noch, du hast gelacht
Wir
küßten uns – ich bin indessen
Am
Morgen allein im Hotel aufgewacht
Das
Bett war hart, die Wand trug Schimmel
Und
Blumen welken – Herr im Himmel –
Das
hab ich mir gedacht
Frank Viehweg © 2008
BRIEFE OHNE NAMEN / Dopisy bez podpisu

So Briefe ohne Namen
Die Handschrift eh verändert
Wie Eiterbeulen kamen
Die Worte dick umrändert
So Schüsse um die Ecken
Verstohln geworfne Steine
Ich kann mich nicht verstecken
Verletzt sind meine Beine
Zur Nacht stieg jemand in den Vorgarten ein
Die Beerensträucher abgeknickt fand ich hier
Ich wartete auf ein paar Freunde beim Wein
Und weit geöffnet ließ ich Fenster und Tür
So dreckbeschmierte Schuhe
Marschiern durch meine Seele
Und geben keine Ruhe
Erfreut, daß ich mich quäle
Was sind das für Soldaten
Ich habe keinen Schimmer
Und dieses Rätselraten
Macht alles nur noch schlimmer
Ich hab die Jalousien vom Fenster gesägt
Lauf ohne Mütze, ob es stürmt oder schneit
Solange mich ein vager Blitz nicht erschlägt
Solange man mich nicht als Trottel verschreit
Hört auf, euch wegzudrehen
Will euch beim Namen nennen
So wie die Freunde eben
Will ich die Feinde kennen
Frank
Viehweg © 2008
DANSE MACABRE
Sechs Millionen Herzen sind verflogen mit dem Rauch
Wir verzeihn uns unsre kleinen Lügen diesmal auch
Wir werden tanzen auf dem Dorfplatz
Fröhlich mit den Leuten lachen sicherlich
Ich liebe dich
Haß und Liebe sind ein unzertrennlich altes Paar
Auf dem Weg zum Hochzeitsfest fährt uns der Wind
durchs Haar
In deinem roten Kleid scheinst du mir
Ganz wie Eva und Maria mütterlich
Heute töten sie mich
Meine Kinder schaun mich wissend von der Seite an
Und das dritte Auge ist ein Loch, das gar nichts
kann
Mit irgendeinem Fusel säuft der Herrgott
Sich um den Verstand und legt sich hin
Anders gäb’s keinen Sinn
Frank
Viehweg © 2008
DAS MORDEN IST
VORBEI / V
tom roce pitomém

Und als in diesem Jahr der Krieg ein Ende nahm
Da saßen unterm Baum paar Söldner tugendsam
Angeblich tugendsam, versoffne Drachenbrut
Und brieten sich am Spieß Karauschen in der Glut
Ihr Söldner, was hat man euch letztlich beigebracht
Nur schlagen, meucheln, stehln und jede Niedertracht
Kanonen laden und palavern übers Recht
Und scheißen aufs Gesetz, das könnt ihr gar nicht
schlecht
Blut saufen wie’n Vampir, als wärs ein Bacchanal
In Todes Namen zieln und treffen allemal
Und huren mit den Hurn und töten mit dem Strick
Und einfach mit der Hand so brechen ein Genick
Das Morden ist vorbei, und ihr seid aus dem Spiel
Von all dem Saus und Braus bleibt euch nicht
allzuviel
Jetzt hockt ihr unterm Baum, paar Groschen noch zur
Hand
Zu dumm, daß dieses Jahr der Krieg ein Ende fand
Was wird wohl jetzt aus euch, die Nächte werden
klamm
Ihr klopft an jede Tür ganz wie ein Unschuldslamm
Ihr klopft an jedes Tor und glaubt, daß irgendwer
Euch nicht verrecken läßt in eurer Not nunmehr
Dir tropft, du Söldner-Lamm, noch Blut von deiner
Hand
Dir glaubt kein Mensch, verflucht bist du im ganzen
Land
Das Morden ist vorbei, nur eins versichre ich
Wollt ihr zur Hölle fahrn, die Rechnung geht an mich
Frank
Viehweg © 2008
DEIN KLEID
/ Košilka

Komm, meine Liebe, und leg ab dein Kleid
Bis hin zum Morgengraun bleibt uns noch Zeit
Fern ist der Morgen, und nah schlägt das Herz
Zwei, die sich lieben, verlachen den Schmerz
Liefst gestern fort, aber jetzt bist du hier
Die schönsten Worte der Welt sag ich dir
Bis das Eis taut und uns bleibt keine Wahl
Wer weiß, vielleicht gibt es nur dieses mal
Komm, leg dein Kleid ab, so leicht wie der Wind
Du bist die Schönste, die ich jemals find
Wenn dann der Morgen kommt – blutroter Schein
Wirst meine Erste, ich dein Erster sein
Frank Viehweg © 2008
DER HIMMEL
/
Nebe
je tu
Ich
nehm dich in die Arme
Und
spür ein leises Beben
Ich
hör die Lerche singen
Und
weiß, wir sind am Leben
Der
Himmel hier
Der
Himmel dort
Der
Himmel ist
An
jedem Ort
Was du
einmal geliebt hast
Fehlt
dir an allen Tagen
Und
was dir fehlt, das wirst du
Bis an
dein Ende tragen
Der
Himmel hier
Der
Himmel dort
Der
Himmel ist
An
jedem Ort
In
Gottes eignen Garten
Wird
man uns einmal fahren
Mit
schön verschlungnen Händen
Und
mit verflochtnen Haaren
Der
Himmel hier
Der
Himmel dort
Der
Himmel ist
An
jedem Ort
Frank Viehweg © 2002
DER KOMET /
Kometa
Als
der Komet durch den Himmel flog und ich stand
Staunend, wollt ich ihm was singen, doch er
verschwand
Er
verschwand wie auf der Lichtung ein scheues Tier
Nur
ein paar goldene Sterntaler blieben hier
Vor
meinen Augen, ich grub sie im Garten ein
Wenn
er zurückkehrt, wird keiner von uns mehr sein
Keiner
von uns, ach du vorlaute Eitelkeit
Als
der Komet kam, stand ich mit dem Lied bereit
Übers
Meer, übers Gras, übern Wald
Übern
Tod, der sich ganz wahllos sein Opfer krallt
Über
die Liebe und den Verrat
Und
über jeden, den dieser Planet je beherbergt hat
Und
auf der Sternenstation drängt sich Zug an Zug
Herr
Kepler schrieb die Gesetze des Himmels, trug
Rätsel
zusammen, die er in den Büchern fand
Rätsel,
die wir mit uns tragen noch unverwandt
Uralte
Rätsel des Lebens von Anfang an
Daß
der Mensch nur einen Menschen gebären kann
Daß
sich die Krone dem Wurzelwerk beigesellt
So
schwimmt das Blut unsrer Hoffnungen durch die Welt
Als
der Komet durch den Himmel flog, da war er
Wie
ein Relief eines Künstlers von alters her
Ich
stieg am Seil hinauf, streckte nach ihm die Hand
Bis
ich mich nackt in dem Widersinn wiederfand
Und
ganz wie David so von Michelangelo
Stand
ich und schaute empor in ein Irgendwo
Wenn
er zurückkehrt, ach vorlaute Eitelkeit
Sind
wir nicht mehr, aber jemand singt ihm zur Zeit
Übers
Meer, übers Gras, übern Wald
Übern
Tod, der sich ganz wahllos sein Opfer krallt
Über
die Liebe und den Verrat
Übern
Komet und den, der ihn gesehen hat
Frank Viehweg © 2005
DIE FAHRNDEN SPIELLEUTE
/ Potulní kejklíøi
Die fahrnden Spielleute ziehn
Durch’s schneebedeckte Tal
Und auf den Tellern der Wind
Ist ihr karges Mittagsmahl
Ein wohldressiertes Äffchen führen sie mit
Mit diesem Leben nur ein wenig aus dem Tritt
Die fahrnden Spielleute ziehn durch’s weiße Tal
Der Schmied am Rande des Dorfs
Hat schon Quartier gemacht
Verjagt die Hunde vorm Haus
Bietet Zuflucht vor der Nacht
Die Ballen Stroh zu einem Lager bestellt
So schlafen sie, einer dem andern zugesellt
Und morgen spieln sie zum Fest in bunter Tracht
Spielleute, Spielleute ziehn
Die Stufen vor der Abtei
Springt flink ein Ball herab
Ein Mann mit Engelsgesicht
Biegt den schweren Eisenstab
Die Tänzerin Marina, Schönste der Fraun
Tanzt mit den Heidengöttern bis zum Morgengraun
Am nächsten Tag aber fahrn sie wieder ab
Spielleute, Spielleute ziehn
Der alte Planwagen rollt
Und rattert durch’s Gefild
Das rote rastlose Blut
Ist des Lebens Wappenbild
Was wir erträumen, das wird niemals nicht wahr
Liegt hinter sieben Bergen, sieben Flüssen gar
Und in der Schneelandschaft blinkt die Sonne mild
Spielleute, Spielleute ziehn
Frank Viehweg © 2008
DU LIEGST IN DER WANNE
/ Zatímco se koupeš
Du liegst in der Wanne
Wäscht dir selbst den Rücken
In mir das Verlangen
Schlägt die kühnsten Brücken
Neid’ dem Wasser deine Gaben
Wie ein Dieb will ich dich haben
Doch was soll ich machen
Such, mich abzulenken
Nur noch einen Kaffee
Rauchen und nicht denken
Hinter allzu dünnen Wänden
Seifst du dich mit sanften Händen
Ach was, Wasser, Wasser
So soll es doch verrinnen
Ach, weißt du, Sehnsucht ist Sehnsucht
Die Zeit scheint erst zu beginnen
Ausgedrückte Kippen
Kalter Kaffee
Warme Weichen
Wär wohl besser, wenn das
Herz beruhigt schlagen könnte
Aber nichts dergleichen
Du liegst in der Wanne
Wäscht dir selbst den Rücken
Alles kommt ins Schwanken
Alles fällt in Stücke
Stehst du später auf der Schwelle
Verläßt der Mut mich auf der Stelle
Ach was, Wasser, Wasser
So soll es doch verrinnen
Ach, weißt du, Sehnsucht ist Sehnsucht
Die Zeit scheint erst zu beginnen
Ausgedrückte Kippen
Kalter Kaffee
Warme Weichen
Wär wohl besser, wenn das
Herz beruhigt schlagen könnte
Aber nichts dergleichen
Niemals nichts dergleichen
Du liegst in der Wanne
Frank Viehweg © 2008
EIN
HERABGESTÜRZTER ENGEL / Polámaný andìl
touhy

Senkt
sich die Nacht, verkümmert mir das Herz
Ein
Stein legt sich auf meine Seele
Die
Jungverliebten fliegen himmelwärts
Ich
darf mich nicht zu ihnen zählen
Ich
würde fallen mit einem dumpfen Klang
In
ganzer Breite, ganzer Länge
Senkt
sich die Nacht, bin ich vor Sehnsucht krank
Ein
herabgestürzter Engel
Senkt
sich die Nacht, und wiegt das Deckbett schwer
Kommt
dieser Tag nur noch geschlendert
Grad
der Moment – schon Ewigkeiten her
Und
doch ist alles unverändert
Die
Katzen streunen zum nächsten Rendezvous
Mich
trifft ein Schmerz im Handumdrehen
Und
Nächte gibt es, da legt man sich zur Ruh
Um
niemals wieder aufzustehen
Senkt
sich die Nacht auf alles eindrucksvoll
Versuch ich, krampfhaft nachzudenken
Wohin
ich meine heißen Hände legen soll
Wohin
mich meine Schritte lenken
Ich
würde fallen mit einem dumpfen Klang
In
ganzer Breite, ganzer Länge
Senkt
sich die Nacht, bin ich vor Sehnsucht krank
Ein
herabgestürzter Engel
Frank Viehweg © 2008
EINFACH SO
Nic moc

Hab mir’n Lied geschrieben von bescheidner Sorte
Nur ’ne Handvoll Töne, keine großen Worte
Kam mir zugeflogen, nichts zum Imponieren
Niemand wird die Verse vorneweg zensieren
Schreib, was ich will, wie’s mir gefällt
Einfach aus dem Herzen
Und die Kritik und der Ästhet
Leiden schlimme Schmerzen
Es tut mir leid, ich kann sie verstehen
Kann wohl nicht anders, bei Licht besehen
Das heißt, vielleicht, wenn es sein sollte
Wär ich nicht stur, wenn ich nur wollte
So bleib’n für andre der Ruhm und die Preise
Ist auch egal mir gefällt diese Weise
Bitte verzeiht mir meine Lieder
Ich mach’s nicht wieder
Bitte verzeiht mir, einem Kinde
Ich verschwinde
Gleich – ich verschwinde
Hab mir’n Lied geschrieben, einfachstes Verfahren
So mach ich die Lieder schon seit dreißig Jahren
Schlag mich durch die Zeiten, besser oder schlechter
Armer Liederschreiber, froher Verseflechter
Schreib, was ich will, wie’s mir gefällt
Einfach aus dem Herzen
Und die Kritik und der Ästhet
Leiden schlimme Schmerzen
Ich bin für sie nur ein alter Banause
Ein grober Stein aus zerbröckelndem Hause
Ein Reimeschmied, ein Kunstverächter
Ein Frauenheld, ein Spiegelfechter
Wahrlich kein Vorbild für Generationen
Eher ein Sinnbild für Masturbationen
Bitte verzeiht mir meine Lieder
Ich mach’s nicht wieder
Bitte verzeiht mir, einem Kinde
Ich verschwinde
Gleich – ich verschwinde
Frank
Viehweg © 2008
ERHÄNGT!
/
On se obìsil!

Der Brief kam mit der Post, der Umschlag abgerieben
Die Worte dunkelblau auf weißem Grund geschrieben
Die Schreiber schienen die Gerechten dieser Erde
Und sie verlangten ohne Anspruch auf Beschwerde
Daß ich mich erhäng! Daß ich mich erhäng!
So weiß ich nur noch nicht, ob Strick, ob
Hosenträger
Verehrtes Publikum – mein Anwalt und mein Kläger –
Ob auf dem Markt, im Hof, wer könnte mir das sagen
Das ganze wird vielleicht im Netz live übertragen
Er hat sich erhängt! Er hat sich erhängt!
Und gegen Mitternacht, nach kaltem Räsonieren
Beginnt im Chat ein aufgeregtes Debattieren
Wieso, weshalb, warum, und gibt’s ein
Abschiedsschreiben
Pardon, doch mir könnt ihr damit gestohlen bleiben
Ich hab mich erhängt! Ich hab mich erhängt!
Der mich vom Seil geschnitten, ist ein Held geworden
Er kriegt drei Fäden meines Stricks statt einem
Orden
Und obendrauf fürs Internet paar Freiminuten
Und weiß vor allem sicher, er ist mit den Guten
Er hat sich erhängt! Er hat sich erhängt!
Kommt, Paparazzi, keine Scheu beim Bilder schießen
Von meinen Siebensachen etwas aufzuspießen
Vergeßt mir nicht, der Witwe Tränen abzulichten
Ich denke, BILD wird en detail davon berichten
Er hat sich erhängt! Hat sich für uns erhängt!
Er hat sich erhängt, hat jemand tief gekränkt
Und jemand reich beschenkt, und andre reiben sich
die Hände
Er hat sich erhängt, hat jemand tief gekränkt
Und jemand reich beschenkt, ... Ende!
Frank Viehweg © 2008
GEB ICH NICHT HER
/ To nechte být
Auto und Haus, Garten und Luft, nehmt kurzerhand
Kürzt mir den Zaum, vergiftet den Teich,
zerschneidet das Band
Nehmt, was ihr wollt, ihr müßt euch nicht verbiegen,
was
Ich in mir trag, das könnt ihr niemals kriegen, das
Wiegt viel zu schwer, wiegt viel zu schwer, wiegt
viel zu schwer
Schönes, das ich irgendwo traf, irgendwo fand
Fiebernde Liebe, Menschen und Bücher, die ich
gekannt
Nehmt, was ihr wollt, ihr müßt euch nicht verbiegen,
was
Ich in mir trag, das könnt ihr niemals kriegen, das
Ist mein Salär, ist mein Salär, ist mein Salär
Kleider und Brot, Ehre und Licht, was ihr auch raubt
Müßte ich betteln, selbst dann wär ich reicher als
ihr jemals glaubt
Nehmt, was ihr wollt, ihr müßt euch nicht verbiegen,
was
Ich in mir trag, das könnt ihr niemals kriegen, das
Geb ich nicht her, geb ich nicht her, geb ich nicht
her
Frank Viehweg © 2008
ICH BRENNE
/ Planu

Meine
Hände lege ich auf
Deine
Brüste und der Mond
Scheint auf sie und dein Gesicht
Und
dein Körper, der sich langsam
Öffnet
und mich nie verschont
Nimmt
mich in die schönste Pflicht
Ich
brenne
Meine
Beine öffnen deine
Und
ich falle zwischen dich
Deine
Augen blitzen auf
Meine
Schultern nehmen das
Gewicht des Himmelszelts auf sich
Und
den Donner mit in Kauf
Ich
brenne
Unsre
Körper sind so feucht wie
Manchmal Scheiben kurzerhand
Ganz
mit Dunst beschlagen sind
Eulen
schwingen ihre Flügel
Ich
verliere den Verstand
Und
ich werde wie ein Kind
Ich
brenne
Frank Viehweg © 2002
ICH NICHT
/ Já neumím

Die hehre Dichtkunst ist nicht meine Station
Auf Hexameter bin ich nie abgefahrn
Mein altes graues Sweatshirt trage ich schon
Seit vielen Jahrn
Freund Heine, eh er an der Seuche verging
Hat mir das große ABC noch vermacht
So schlendre ich auf dieser Welt rum und spring
Wie ich’s gedacht
So schlendre ich durchs Leben
Und will ihm Verse weben
Laß Dreck an Schuhen kleben
Ich kann mir einfach eben
Die Regeln selber geben
Und ich bereu daneben
Nicht eine Stunde Leben
Bin ein Soldat, kein Eichenlaub, das mich ziert
Ein Stoppelhopser ohne Sondervertrag
Und nur ein Baumstumpf schützt mich improvisiert
Vorm Donnerschlag
Ich spiele Poker mit dem Feldwebelpack
Und wird zu guter Letzt der Sieger gekürt
Stehn sie im Trocknen, ich greif tief in den Sack
Wie’s mir gebührt
So schlendre ich durchs Leben
Und will ihm Verse weben
Laß Dreck an Schuhen kleben
Ich kann mir einfach eben
Die Regeln selber geben
Und ich bereu daneben
Nicht eine Stunde Leben
Frank Viehweg © 2008
KOMM UND TANZ
/ Zatanèi

Komm und tanz, mein Liebes, tanz uns das Parkett
zuschanden
Komm und tanz, bis ich nichts andres mehr seh
Und dein Kleid, mein Liebes, soll es auf dem Boden
landen
Und dein Kleid, wir finden schon einen Dreh
Komm und tanz, so wie die Heiden um ein Feuer tanzen
Komm und tanz, so wie ein Boot auf dem Meer
Komm und tanz, so wie die Sonne zwischen Pomeranzen
Komm und tanz, ach, tanz und komm zu mir her
Deine Hand, mein Liebes, leg sie mir um meine Lenden
Deine Hand laß voller Sinnlichkeit sein
Halt mich fest, mein Liebes, laß uns alle Kraft
verschwenden
Halt mich fest und fester, komm und sei mein
Komm und tanz, so wie die Heiden um ein Feuer tanzen
Komm und tanz, so wie ein Boot auf dem Meer
Komm und tanz, so wie die Sonne zwischen Pomeranzen
Komm und tanz, ach, tanz und komm zu mir her
Bis der Tag, mein Liebes, anschickt sich zum
Auferstehen
Bis der Tag erwacht ist, still meine Gier
Komm und tanz, ach, tanz, bis mir die Augen
übergehen
Komm und tanz, für dich nur spiele ich hier
Komm und tanz, so wie die Heiden um ein Feuer tanzen
Komm und tanz, so wie ein Boot auf dem Meer
Komm und tanz, so wie die Sonne zwischen Pomeranzen
Komm und tanz, ach, tanz und komm zu mir her
Frank Viehweg © 2008
LEICHT VERSCHRAMMT /
Mám jizvu na rtu

Vielleicht bin ich zu alt für revolutionäre Träume
Doch paßt mein dicker Schädel auch nicht in
Kapuzensäume
Ich habe keinen Appetit auf vorgekochtes Essen
Ich fühl mich hilflos, hab ich meine Medizin
vergessen
Und wie es aussieht, werd ich schwer durchs Nadelöhr
gelangen
Ich renne durch den Wald, damit die Wölfe mich nicht
fangen
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten
fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand
Hab Ruß und Asche auf der Jacke wie zwei
Schicksalsboten
Und meine ungeschickten Finger knüpfen keine Knoten
Ich laufe immer öfter auf den ausgetretnen Wegen
Und wenn mir doch die Tränen kommen, wehr ich mich
dagegen
Ich habe viel gesehn und manches rann mir durch die
Hände
Doch abgebrüht werd ich nicht sein bis an mein
Lebensende
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten
fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand
Ich traf auf Hohe Tiere, Lumpen auch in finstren
Gassen
Auf diese Erde kam ich nackt und werd sie nackt
verlassen
Ich war ein Kind noch, als durch Prag die schweren
Panzer fuhren
Und als ich älter wurde, ging die Hoffnung mit den
Huren
Doch noch bevor mich Petrus ruft, zur Prüfung
aufzusteigen
Will ich mich vor den großen Dichtern dieser Welt
verneigen
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten
fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand
Ich habe Marx-Zitate schon in aller Welt gesehen
Ich kann auch in der Bibel ein paar Sätze gut
verstehen
In fremden Ländern stand ich sprachlos vor den
Plastiktannen
Den besten Kaffee koch ich selbst in kleinen
Kupferkannen
Ich laß mir mit vier Assen in der Hand das Spiel
entgehen
Und will noch einmal Hansa gegen Bayern siegen sehen
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten
fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand
Die Menschen haben doch mitunter ganz verrückte
Seiten
Ich aber, Liebe, liebe dich noch immer wie vor
Zeiten
Wenn wir die Zwiebeln, Pilze und den Rotwein
zelebrieren
Wenn du den Finger hebst wie einen Stab zum
Dirigieren
Und droht uns manchmal etwas voneinander
fortzutreiben
Nach all dem Schlechten wird zuletzt das Gute
übrigbleiben
Und daß ich leicht verschrammt nur durch die Zeiten
fand
Verdank ich dem Engel, der neben mir stand
Frank Viehweg © 2008
LITANEI AM ENDE DES JAHRHUNDERTS
/ Litanie u
konce století

Die toten Männer auf den toten Wiesen
Die Waisenkinder und die Fraun in Schwarz
Die Mengen Blut zum Ruhm der eitlen Riesen
Ein Satz
Die Göttinnen, die Götter und die Götzen
Die Fackelträger auf dem Straßenstück
Die ewigen Propheten auf den Plätzen
Ein Blick
Herr, mein Gott, auf der höchsten Höhe im Zenit
Herr, mein Gott, und der doch nichts hört und doch
nichts sieht
Herr, mein Gott, du mein blinder Gott
Die miesen Ratten in den Panzerwagen
Die Heilgen Säulen und die Seuchenbrut
Die Schicksalsboten vor den üblen Plagen
Die Flut
Die gelben Sterne auf gestreiften Jacken
Die Einschußlöcher und die Mordsgeduld
Die Henkersblöcke hinter den Baracken
Die Schuld
Herr, mein Gott, auf der höchsten Höhe im Zenit
Herr, mein Gott, und der doch nichts hört und doch
nichts sieht
Herr, mein Gott, du mein tauber Gott
Die trocknen Brunnen, ausgelöschten Spuren
Die Karawane, die den Weg verlor
Die Obelisken, Sockel und Skulpturen
Das Tor
Die sich im Tanz um goldne Kälber drehen
Die Bombentrichter wie ein Totenschrein
Die Angst, wenn’s nötig wäre, aufzustehen
Allein
Herr, mein Gott, auf der höchsten Höhe im Zenit
Herr, mein Gott, und der doch nichts hört und doch
nichts sieht
Herr, mein Gott, du mein toter Gott
Frank
Viehweg © 2008
LOTMANNSHAGEN / Dolní Lhota

Eines Tages sprang der Klatsch durch Lotmannshagen
Daß ein Herr dort durch die Felder ging
Kleine Jungen wollten ihn gesehen haben
Über seinem Kopf ein heller Ring
Hunde bellten, Schafe blökten, Pferde scheuten
Und die Schober wankten sonderbar
Nur die alten Weiblein wußten’s gleich zu deuten
Daß der Herrgott selbst gekommen war
Und aus allen Ecken strömten da die Leute
Und die Glocken taten ihre Pflicht
Wie die kleinen Kinder stritt die ganze Meute
Ob es wirklich Er war oder nicht
Und sie schimpften Blödmann sich und Seifensieder
Alle waren außer Rand und Band
Doch zum Glück ging dann ein schwerer Hagel nieder
Daß die Posse doch ein Ende fand
Und im Feld erwachten Tage und vergingen
Wer es war ist nicht so wesentlich
Alles läuft wie immer und die Lieder klingen
Und genau ein Kehrreim bleibt für mich
Und wer Augen hat zum Sehen, der soll sehen
Und wer Ohren hat zum Hörn, soll hörn
Wer mir glaubt, soll mit mir singen und nicht gehen
Und wer mir nicht glaubt, der soll nicht störn
P.S.
Doch seitdem heißt es in allen Sonstwiehagen
Gott der Herr lief durchs Getreidefeld
Hat auf seinen Schuhen Ähren fortgetragen
Davon duftet abends unsre Welt
Frank
Viehweg © 2008
MEIN FREUND
/
Pøítel

Erinnerst du dich noch an jene alte Zeit
Wir warn knapp zwanzig und kein Weg schien uns zu
weit
Und das verrückte Leben
War einfach so gegeben
Ungeschminkt und ohne Neid
Wir warn naiv. Die Welt, serviert auf dem Tablett
Schien uns berauschend wie ’ne Schachtel „Cabinet“
Erträumt und schon geschehen
Fast wie im Handumdrehen
Wunder ohne ein Korsett
Wie stehn wir heute da
Was geht dir heut noch nah
Mein allerbester Freund
Als wär es nicht mehr wahr
Ich hol dich nicht mehr ein
Nein, nein, nein
Ich bin hier allein
Erinnerst du dich noch an jene finstre Nacht
Sie warn zu fünft, doch du hast sie zum Stehn
gebracht
Ich wär auf meinen Knochen
Nicht einmal mehr gekrochen
Gegen ihre Übermacht
Kämst du heut noch auf einen Hilferuf gerannt
Du redest anders, als ich es von dir gekannt
Mit schön gestylten Haaren
Wie jung wir damals waren
Und zerrissen ist das Band
Wie stehn wir heute da
Was geht dir heut noch nah
Mein allerbester Freund
Als wär es nicht mehr wahr
Ich hol dich nicht mehr ein
Nein, nein, nein
Ich schlag mich allein
Erinnerst du dich noch, wir saßen in den Jahrn
An manchem Tag mit unsern Liedern und Gitarrn
Zwei Stimmen, die sich fanden
Ganz wie von selbst verstanden
Bis sie nur noch eine warn
Die Alten sagten, das vergeht wie nebenher
Sie hatten recht, wir wußten damals nicht wie sehr
Die grauen Tage kamen
Die alles mit sich nahmen
Und du gabst es lächelnd her
Wie stehn wir heute da
Was geht dir heut noch nah
Mein allerbester Freund
Als wär es nicht mehr wahr
Ich hol dich nicht mehr ein
Nein, nein, nein
Ich sing hier allein
Erinnerst du dich noch an dich in jener Zeit
Jetzt sag mir nicht, das Leben brachte dich so weit
Der Mensch ist keine Tonne
In die man stopft mit Wonne
Bis von ihm nichts übrig bleibt
Ich weiß, ein Herz ist nicht zu greifen mit der Hand
Auch ich bin nicht Derselbe, den wir einst gekannt
Doch schade, denk ich wieder
Hör ich die alten Lieder
Daß ich dich nicht wiederfand
Wie stehn wir heute da
Was geht dir heut noch nah
Du warst mein bester Freund
Das ist schon nicht mehr wahr
Ich hol dich nicht mehr ein
Nein, nein, nein
Ich bleib hier allein
Frank
Viehweg © 2008
MEINE ENGEL
/Andìlé moji

Engel der Nächte
Süßes Vergessen
Bring mir die Freude
Nichts zählt statt dessen
Engel des Morgens
Flügelgebärde
Gleich heißen Händen
Schütze die Erde
Engel des Tages
An allen Stellen
Zeig mir Verborgnes
Heilende Quellen
Engel, ihr Engel
Sollt es euch geben
Oder mitnichten
Helft mir zu leben
Frank Viehweg © 2013
MAØENKA
Weine
nicht, Maøenka, warte auf mich
Wie
ein Geschenk legt mein Arm sich um dich
Nichts
als ein steiniger Weg ist in Sicht
Doch
was ich liebe, verrate ich nicht
Ich
geh in Hose und Hemd, wie ich bin
Wir
hab’n den Weg schon verlorn zu Beginn
Und
nur zwei Sterne in finsterer Nacht
Gott
hat an alles, an uns nicht gedacht
Halt
meine Hand durch die eisige Zeit
Wir
sind vor Mühsal und Not nicht gefeit
Und
haben nie etwas andres gedacht
Zwei
so Vertriebne in Kälte und Nacht
Fort
sind die Vögel, das Schiff treibt allein
Wer
ohne Schuld ist, der werfe den Stein
Wahrheit und Liebe sind kein Unterpfand
Und
wer zurückschaut, erstarrt kurzerhand
Ich
bin dein Bräutigam, du meine Braut
Frage
nicht, was uns den Weg noch verbaut
Frag
nicht, sie sagen dir nichts, nicht sobald
Zwei
wilde Tiere, verborgen im Wald
Zwei
wilde Tiere, am Leben nur knapp
Engel,
gestürzt aus dem Himmel herab
Hungrig und schweigsam, als ob es nichts gibt
Ich
bin der einzige Mensch, der dich liebt
Ich
bin der einzige Mensch auf der Welt
Der
dir ein Feuer entfacht und erhält
Und
wenn die Flammen vertreiben das Grau
Werd
ich dein Mann und du wirst meine Frau
Ich
steig zur Krone hinauf Ast für Ast
Und
unser Weg wird vom Mondlicht erfaßt
Durch
alle Schluchten und durch Wüstenei
Werden
wir fortgehen. Gott steh uns bei
Frank Viehweg © 2007
MAUS AM ENDE DES
SOMMERS / Myš
na konci léta
Alle Welt schläft, nur wir zwei sind noch munter
Wir ganz allein nur sind übrig geblieben
Ich bringe Reime in Verszeilen unter
Sie schaut mich an nach Belieben
Die graue Maus wohnt in Feldern und Fluren
Schon hat der Herbst Erntekränze gebunden
Ahnt wer den Schmerz, wenn ihn so Kreaturen
Mit einer Sense verwunden
Du, kleine Freundin, in Not alle Stunden
Platz ist genug, leg zum Schlafen dich nieder
Vor jemand kommt, bist du früh schon verschwunden
Abends dann sehn wir uns wieder
Bis in die Nacht führen wir die Attacken
Du mit den Zähnen und ich mit der Feder
Sicher, wir tragen verschiedene Jacken
Aber das Leben liebt jeder
Fort ist der Sommer, ich will es nicht leiden
Wenn deine Feinde die Felder durchqueren
Gut oder schlecht, ach, wer will das entscheiden
Zuflucht will ich dir gewähren
Frank Viehweg © 2008
NEVER MORE

Ich saß am Tisch, sprach Verse vor mich hin
Das Radio greinte
Da klopfte es ans Fenster nebenhin
So vage, daß ich mich zu täuschen meinte
Die Stimme eines Manns sprach auf mich ein
So leise, kaum zu hörn
Wenn sie gestatten, komm ich kurz herein
Ich werd nicht lange störn
Er legte Regenschirm und Mantel ab
Mir schien soeben
Daß ich ihn wohl schon mal gesehen hab
So ein Gesicht vergißt man nicht im Leben
Ein Luftzug löschte mir die Kerze aus
Es ging ein kalter Wind
Ein schwarzer Rabe kam mit ihm ins Haus
Als ob sie Brüder sind
Der Mann betrat das Zimmer, setzte sich
Schon wars geschehen
Es gab mir einen Stich ins Herz als ich
Das Pferdehaar an seinem Fuß gesehen
„Wir sind gekommen, kaum daß Sie’s gedacht!“
Das Licht verblaßte schon
Er gab mir seine Karte: „Abgemacht?“
Firma „Flammfuß & Sohn“
In vielen Nächten rief ich schon nach ihm
In vielen Stunden
Wenn mir der Atem zu verwehen schien
Was hatte ich in seinem Blick gefunden
Ich dachte grad, was mich vom Tod noch trennt
Das ist nicht allzu viel
Da zog er aus dem Frack ein Pergament
Und einen Federkiel
„Für einen Tropfen Blut erfüll ich Dir
Dein größtes Streben
Was sonst ein Mensch nicht kriegt, kriegst Du von
mir
Und leicht wird sich Dein Vers ins Lied ergeben“
Ich sagte mir, was soll’s, ich bin ja nur
Ein armer, armer Tor
Der Rabe krächzte irgendwo im Flur
„Never more“
Ein Tropfen Blut, getrocknet auf der Hand
Das Licht zerschlagen
Die Narbe schmerzt, kommt eine Regenwand
Und plötzlich regnet es an allen Tagen
Das Leben – ein zerbrochener Akkord
Was ich gewann, verlor
Der Rabe aber krächzt in einem fort
„Never more“
Frank Viehweg © 2008
PLEBS-BLUES
Ich sah zum ersten mal die großen Pyramiden
Und habe Cheops und den ganzen Clan verflucht
Als einer von Milliarden ist mir nur beschieden
Für sie den Job zu machen, den ich nie gesucht
Sie träumten sich die Sphinxen so wie Fahnenträger
Für sich zu Lob und Preis in alle Ewigkeit
Ich drehe Schrauben in den Rumpf der Düsenjäger
Und wenn was schiefgeht, fahr ich ein mit Sicherheit
Das ist mein Plebs-Blues, Plebs-Blues, Plebs-Blues
Für eine Handvoll noch der primitivsten Waren
Bin ich ein Nichts, vom Lauf der Zeiten ignoriert
Ein Fußabtreter, eine Lanze der Cäsaren
Schon von den Bildern der Geschichte retuschiert
Das kleinste Aufbegehrn ließ mich nicht ungeschoren
In jeder Herrschaft brach man über mir den Stab
Den Glauben an die Götter hab ich längst verloren
An ihren Segen oder daß es sie je gab
Das ist mein Plebs-Blues, Plebs-Blues, Plebs-Blues
Angeblich trag ich auf den Schultern den Planeten
Und fühl mich wie ein müder Muskel ohne Zweck
Schon wieder fliegen sie zum Mond mit so Raketen
Und ich kriech wie ein Käfer weiter rum im Dreck
Mein Herz schlägt ebenso wie andre Herzen schlagen
Glaubt nicht, daß ich zu fressen habe, wär genug
Und würdet ihr mir zuhörn, hätt ich was zu sagen
So bin ich nur ein alter Ochse vor dem Pflug
Das ist mein Plebs-Blues, Plebs-Blues, Plebs-Blues
Ich glaub schon lange nicht mehr an die
Sonntagsreden
Und was ich mir nicht selber nehme, krieg ich nie
Ach, ihr versprecht mir nach dem Tod den Garten Eden
Ich lebe hier und das ist keine Utopie
Ich bin nur einer im Milliardenvolk hienieden
Kaum, daß ihr mich bemerkt auf meinem Tagesmarsch
Mensch, baut euch selber eure blöden Pyramiden
Geht mir vom Acker jetzt, ach, leckt mich doch am
Arsch
Das ist mein Plebs-Blues, Plebs-Blues, Plebs-Blues
Frank Viehweg © 2008
ROBINSON /
Robinzon

Die Schuhe stehn im Flur, der Briefkasten quillt
über
Ein Fingerabdruck nur, ein Zimthauch weht herüber
Zimmer, kleines Zelt, Insel, meine Welt
Die Meldungen zur Nacht, empfindliche Antennen
Der sich davongemacht, ich will ihn Freitag nennen
Komm, hab keine Angst, komm, hab keine Angst
Wie Robinson, wie Robinson, wie Robinson
Schreibe ich in mein Notizbuch in den Morgenstunden
Heute hab ich auf der Insel Spurn im Sand gefunden
Einsamkeit liegt wie ein weiter Strand
Du bist fortgerannt, du bist fortgerannt
Freitag
Ich fürchte nur die Flut, wenn sich die Wasser
winden
Bleibt dir das Schicksal gut, wenn deine Spuren
schwinden
Unterm Wellenschlag, Freitag
Die Schuhe räum ich fort, such in den Briefen
Zeichen
Vielleicht beim letzten Wort, ein Zufall
ohnegleichen
Kommst du auf mich zu, Freitag, wo bist du
Wie Robinson, wie Robinson, wie Robinson
Lebe ich, ein Herz, ein Atem, eine stete Klage
Und ein Hauch von Zimt liegt auf der Einsamkeit der
Tage
Mit dem Messer ritz ich in den Stein
Deine Spuren ein, laß mich nicht allein
Freitag, Freitag, Freitag
Frank
Viehweg © 2008
SARAJEVO


Über
dem Gelände weht ein böser Wind
Alles
was wir haben, ist einzig, was wir sind
Wie
die Schwalben ziehen, stet und elegant
Wie
zwei blaue Briefe, so segeln wir durchs Land
Und
das Feuer knistert und brennt lichterloh
Zeit
zum Schlafen, Liebste mein
Hinter
jenem Berg liegt Sarajevo
Und
dort wird morgen unsre Hochzeit sein
Bis
der Tod euch scheidet, was der Pfarrer spricht
Nur
der Myrtenkranz schwimmt im Fluß so lange nicht
Alle
Wasser fließen wieder in das Meer
Oben
steht der Himmel, hier unten gehen wir
Und
das Feuer knistert und brennt lichterloh
Zeit
zum Schlafen, Liebste mein
Hinter
jenem Berg liegt Sarajevo
Und
dort wird morgen unsre Hochzeit sein
Und
aus weißen Steinen bau ich dir ein Haus
Mit
den Hölzern sieht es ganz wie ein Fachwerk aus
Fest
gefügt und sicher für die Ewigkeit
So
wird jeder wissen, ich liebte dich zur Zeit
Und
das Feuer knistert und brennt lichterloh
Zeit
zum Schlafen, Liebste mein
Hinter
jenem Berg liegt Sarajevo
Und
dort wird morgen unsre Hochzeit sein
Frank Viehweg © 2002
SILHOUETTE
/ Silueta

Aus dem Fenster fällt mein Blick grad auf dein Haus
Seh die Scheiben und Gardinen
Alles ist mit Licht beschienen
Ach, wer reißt schon vor den eignen Träumen aus
Seh im Falln der Jalousette
Deine schwarze Silhouette
Wenn dein Mann das Haus betritt, wird’s für mich
Zeit
Doch ich wälz mich auf den Kissen
Fühl mich elend und zerrissen
Du weißt nichts von meiner Sehnsucht, meinem Leid
Du bist meine offne Wunde
Lebenslange Schicksalsstunde –
Liebe
Frank Viehweg © 2008
SOLANGE MAN SINGT
/
Dokud se zpívá

Halbstündlich fahren die Züge zur Lebenslaufschicht
Gestern hab ich nicht geschlafen und heut schlaf ich
nicht
Heilger Medard, mein Patron, gibt mir zärtlich die
Sporn
Solange man singt, ist doch noch nicht alles verlorn
In
einer Markthalle kauf ich mir’n Hefeteigzopf
Hab
für die Liebe das Herz, für die Lieder den Kopf
Seit
meiner Schulzeit weiß ich aus den Lebenskontorn
Solange man singt, ist doch noch nicht alles verlorn
Fahrscheine kleb ich ins Album nach Fahrziel und
Zeit
Und
hier am Anfang des Wegs scheint das Ende noch weit
Wie’n
Leporello wird stetig das Leben geborn
Solange man singt, ist doch noch nicht alles verlorn
Hundertmal hab ich gespielt und bezahlt jedesmal
Und
auf der Achterbahn dreht es dich ganz kolossal
Habn
sich die Aasgeier längst auch auf mich eingeschworn
Solange man singt, ist doch noch nicht alles verlorn
Halbstündlich fahren die Züge ans Ende der Welt
Ich
hab am Telefon all meine Freunde bestellt
Aus
weiter Ferne klang mir dieser Satz in den Ohrn
Solange man singt, ist doch noch nicht alles verlorn
Frank Viehweg © 2005
TELEGRAMM
/Telegram

Wo sind die Zeiten
Als ich dir schrieb
Bitte, komm wieder
Ich hab dich lieb
Nur ein paar Worte
Ohne Tamtam
Für drei Mark fünfzig
Ein Telegramm
Komm wieder, ich quäl mich + STOP
Krieg dich nie mehr aus'm Kopp +
STOP
War wie ein Wunder
In jener Welt
Postboten fuhren
Dafür bestellt
Für einen Aufpreis
Einfach pauschal
Gab es ein Schmuckblatt
Farbig zumal
Komm wieder, ich quäl mich + STOP
Krieg dich nie mehr aus'm Kopp +
STOP
Heut auf dem Postamt
Hieß es allein
Ein Telegramm, ach
Bringt nichts mehr ein
Ich stand verloren
Geld in der Hand
Liebste, komm wieder
Bin ausgebrannt
Komm wieder, ich quäl mich + STOP
Krieg dich nie mehr aus'm Kopp +
STOP
Frank Viehweg © 2013
VERGANGENHEIT
/Minulost

So wie ein ungebetner Gast an die Tür klopft zu
nächtlicher Zeit
Wartet auf dich um die Ecke bereits deine
Vergangenheit
Im selben Kleid, mit der selben Frisur, wie sich
doch alles gleicht
Hinkend verfolgt sie dich Schritt um Schritt, bis
sie dich schließlich erreicht
Und sie sagt: Sieh, ich bin hier
Öffne dich mir
Mach mir Quartier
Ich bin bei dir
Deine Vergangenheit
Und so ein Knoten im Taschentuch drückt noch immer
wie vor Jahrn
Aber woran er erinnern sollte, wirst du wohl nicht
mehr erfahrn
Alles, was du auf dem Weg verlorn hast, erlangst du
niemals mehr
Und dieses Mädchen trägt es im Rucksack und gibt es
doch nicht her
Sie sagt nur: Sieh, ich bin hier
Öffne dich mir
Mach mir Quartier
Ich bin bei dir
Deine Vergangenheit
Hoch stehn die Bäume und niedrig das Gras, Unkraut
sprießt im Revier
Strahlend bewegt sich die rote Bahn, so stolz wie
ein Pionier
Und letzten Endes sitzt dir dein Kopf ja noch sicher
auf dem Hals
Bahnfahrer, die dich einst fuhren, sind längst in
Rente, bestenfalls
Sieh, ich bin hier
Öffne dich mir
Mach mir Quartier
Ich bin bei dir
Deine Vergangenheit
Ein Apfelbaum trägt keine Feigen, aus Brennesseln
wächst kein Wald
Das, was du gestern versäumt hast, erwartet dich
heute allzubald
Trauben in Honig, Mandeln und Nüsse, salzig oder
kandiert
Du sitzt am Tisch, wo sie dir sogleich das
Mittagsmahl serviert
Und sie sagt: Sieh, ich bin hier
Öffne dich mir
Mach mir Quartier
Ich bin bei dir
Deine Vergangenheit
Du gehst zu Bett und du drehst dich zur Wand, da
schmiegt sie sich an dich
Heute besuchen dich jene, die lang schon gegangen
warn, eigentlich
Und du nennst alle beim Namen, sogleich falln sie
dir wieder ein
Wenn du am Morgen erwachst, wird sie noch
zusammengerollt bei dir sein
Und sagt dir: Sieh, ich bin hier
Öffne dich mir
Mach mir Quartier
Ich bin bei dir
Deine Vergangenheit
Frank Viehweg © 2013
VERGRÄMTES HERZ
/
Moje
smutné srdce

Das
Blau wird grau
Der
Himmel scheint zu fallen
Ich
seh nur noch
Verbittrung zwischen allen
Mein
Herz, mein Herz
Vergrämtes Herz
Und
ich such dich
Die
Liebe ohne Maßen
Allein
und nackt
So
lauf ich durch die Straßen
Mein
Herz, mein Herz
Vergrämtes Herz
Vom
Glück kein Stück
Ich
habe nichts gefunden
Es
gibt sie nicht
Die
Liebe ist verschwunden
Mein
Herz, mein Herz
Vergrämtes Herz
Frank Viehweg © 2003
VON EINEM ANDERN
STERN / Ty
ptáš se mì

Wir sitzen halb uns zugewandt
Bekümmert und verlegen
Ein Tisch so zwischen Hand und Hand
Wir sitzen halb uns zugewandt
Der Mond verblaßt im Regen
Die Stille, die den Raum erfüllt –
Ein großes Ungeheuer –
Die Nacht, die aus den Ritzen quillt
Die Stille, die den Raum erfüllt
Frißt sich in das Gemäuer
Wenn wir uns in die Augen sehn –
Ein Flackern für Sekunden –
Und Wölfe, die am Kreuzweg stehn
Wenn wir uns in die Augen sehn
Ist jeder Glanz verschwunden
Und jedes ungesagte Wort
Wird niemals mehr erklingen
Ein Bettler in zerschlissnem Kord
Und jedes ungesagte Wort
Ein Vogel ohne Schwingen
Den Pferden geben wir die Sporn
Bis daß sie galoppieren
Die Vogelbeeren sind erfrorn
Den Pferden geben wir die Sporn
Nichts bleibt mehr zu verlieren
Wir sitzen im Hotel zur Nacht
Zwei stumme Unglücksboten
Ein Feld wie nach der großen Schlacht
Wir sitzen im Hotel zur Nacht
Und zählen unsre Toten
Und du fragst mich
Und ich, ich frag dich
Dann bleibt nur ein Schweigen
Plötzlich sind uns alle Worte fern
Und du fragst mich
Und ich, ich frag dich
Jeder in der Sprache
Von einem andern Stern
Frank
Viehweg © 2008
WAS ICH NICHT HABE / To co nemám nemùžu ti
dát

Was ich nicht habe, kann ich dir nicht geben
So überm Abgrund weite Flügelspannen
Scheint meine Liebe dir zu schwach daneben
Verfluch mich, aber stiehl dich nicht von dannen
Was ich nicht habe, kannst Du nicht erwarten
Wohl eher wird ein Wirrkopf ein Stratege
Wir alle zahln für unsre schlechten Karten
Verfluch mich, aber geh nicht deiner Wege
Was ich nicht habe, werd ich nie erlangen
Und nichts erweicht in Wirklichkeit die Steine
Daß ich mich ändre, kannst du schlecht verlangen
Verfluch mich, aber laß mich nicht alleine
Frank Viehweg © 2008
WAS SOLL
SEIN /Jiné to
nebude

Mir ist so, als rede ich stets gegen eine Wand
Jeder Tag ist immer nur ein flüchtiger Passant
Und was mir am nächsten Morgen blüht
Steht in keinem noch so wahren Lied
Strophe so für Strophe und Refrain so für Refrain
Aus der Ferne heult eine Sirene durch's Terrain
Und am Himmel stehn die Sterne stumm
Meine Liebe, wo irrst du herum
Ei der Daus! Was soll sein
Sei bedankt, Erdenpein
Für all das, was uns treibt
Was uns nach dem Kaffeetrinken
auf dem Grund der Tasse bleibt
Was der Wind herbeiweht, weht er so auch wieder fort
Doch all unsre Tränen sind an einem sichren Ort
Nur, wer ihre Zahl genau bemißt
Weiß, wie kompliziert die Liebe ist
Wörter sind wie Späne für ein Feuer, du wirst sehn
Reibst du nur ein Zündholz, ist es schon um dich
geschehn
Disteln nur und Staub jahrein, jahraus
Eines Tages reicht das nicht mehr aus
Ei der Daus! Was soll sein
Sei bedankt, Erdenpein
Für all das, was uns treibt
Was uns nach dem Kaffeetrinken
auf dem Grund der Tasse bleibt
Hinterm Horizont nimmt schon die Ernte ihren Lauf
Stellen wir uns, Freunde, wie in einer Riege auf
Noch ein Jahr, vielleicht nur noch ein Tag
Wen das Wort trifft, den trifft auch der Schlag
Wie das Wetter quälen mich die Toren all die Zeit
Jahre in der Spaßgesellschaft, falsche Heiterkeit
Gruselstories, Märchen und so fort
Lese ich genaustens Wort für Wort
Ei der Daus! Was soll sein
Sei bedankt, Erdenpein
Für all das, was uns treibt
Was uns nach dem Kaffeetrinken
auf dem Grund der Tasse bleibt
Ei der Daus! Was soll sein
Sei bedankt, Erdenpein
Ei der Daus!
Schluß und aus!
Frank Viehweg © 2013
WIE IM WALD
EIN DURSTIGES TIER /
Jako
jelen když vodu chce pít

Wie im
Wald ein durstiges Tier
Auf
der Suche nach versteckter Quelle
Wie im
Wald ein durstiges Tier
Ganz
so sehne ich mich nach dir
Nur
die Einsamkeit ist mein Geselle
Ganz
so sehne ich mich nach dir
Hilf
mir in der Einsamkeit
Hilf
mir in der Lebenszeit
Und
hilf meiner schwermütigen Seele
So
Nacht für Nacht muß ich dich rufen
So
Nacht für Nacht um Hilfe rufen
Tief
gräbt sich die Angst in mich ein
Welch
ein Dunkel liegt vor meinen Augen
Tief
gräbt sich die Angst in mich ein
Nie
zuvor war ich so allein
Und
wozu soll dieser Stolz jetzt taugen
Nie
zuvor war ich so allein
Hilf
mir in der Einsamkeit
Hilf
mir in der Lebenszeit
Und
hilf meiner schwermütigen Seele
So
Nacht für Nacht muß ich dich rufen
So
Nacht für Nacht um Hilfe rufen
Und
trotz allem glaub ich an dich
Daß
die Rufe noch dein Ohr erreichen
Und
trotz allem glaub ich an dich
Wenn
das Laub fällt spätsommerlich
Trag
ich alles ohne Fragezeichen
Wenn
das Laub fällt spätsommerlich
Hilf
mir in der Einsamkeit
Hilf
mir in der Lebenszeit
Und
hilf meiner schwermütigen Seele
So
Nacht für Nacht muß ich dich rufen
So
Nacht für Nacht um Hilfe rufen
Frank Viehweg © 2002
WIR SIND ALT GEWORDEN, LIEBE / Zestárli jsme
lásko

Unser Sohn ist groß geworden
Längst schon aus den Kinderschuhn gefahrn
Wir sind alt geworden, Liebe
So mit unsern und mit seinen Jahrn
Er hat meine Augen und das Haar hat er von dir
Und es fällt ihm in die Stirn grad so
Du bist ein bißchen traurig
Und wärst doch lieber froh
Unsre Tochter, groß geworden
Ist sie so mit schamhaftem Gebarn
Wir sind alt geworden, Liebe
So mit unsern und mit ihren Jahrn
Und die Kerle schaun ihr nach so wie vor Zeiten dir
Unsre Fehler macht sie sowieso
Du bist ein bißchen traurig
Und wärst doch lieber froh
Indessen: Eins und eins sind vier
Zwei Birnen und zwei Äpfel macht
Acht Kirschen auf dem Teller hier
Ganz gleich, was du auch sonst gedacht
Teenies knutschen auf der Straße
Ungehemmt, so wie wir selber warn
Wir sind alt geworden, Liebe
Alt geworden sind wir in den Jahrn
„Der geteilte Himmel“ läuft noch mal im Spätprogramm
Bilder, Szenen so von anderswo
Du bist ein bißchen traurig
Und wärst doch lieber froh
Und das Lied, das ich dir einmal
Schrieb, taugt nur noch für die Memoir’n
Wir sind alt geworden, Liebe
So mit unsern und mit seinen Jahrn
Aber gestern, als du schliefst, sah ich dich an und
fand
Dir ein neues aus dem Irgendwo
Es klingt ein bißchen traurig
Und auch ein bißchen froh
Indessen: Eins und eins sind vier
Zwei Birnen und zwei Äpfel macht
Acht Kirschen auf dem Teller hier
Ganz gleich, was du auch sonst gedacht
Frank
Viehweg © 2008
ZIELLOSES SCHIFF
/Zbloudilý koráb

Die Wolken über mir
Und unter mir die Wogen
Der Weg, den ich verlier
Und nirgendwo ein Licht
Der Kompaß spielt verrückt
Der Himmel schwarz bezogen
Poseidon, reich geschmückt
Jetzt nimm mich oder nicht
Und mein zielloses Schiff schaukelt höllisch hin und
her
Und das Notrufsignal hört schon niemand mehr
Und mein zielloses Schiff treibt im schweren
Wetterlauf
Falln wir um, stehn wir nie wieder auf
Der Kamm der Meereswelln
Wie deine blonden Haare
Als ich an andern Stelln
Noch kämpfte um mein Glück
Das Band an meiner Hand
Ein Zeichen jener Jahre
Da ich mich glücklich fand
Die Zeit kehrt nie zurück
Und mein zielloses Schiff schaukelt höllisch hin und
her
Und das Notrufsignal hört schon niemand mehr
Und mein zielloses Schiff treibt im schweren
Wetterlauf
Falln wir um, stehn wir nie wieder auf
Und hinterm Horizont
Wer könnte soweit sehen
Liegt wunderschön besonnt
Die Zuflucht unerreicht
Das Schiff neigt seinen Bug
Als wollt es untergehen
Nur der entgeht dem Spuk
Der nicht vor'm Tod erbleicht
Und mein zielloses Schiff schaukelt höllisch hin und
her
Und das Notrufsignal hört schon niemand mehr
Und mein zielloses Schiff treibt im schweren
Wetterlauf
Falln wir um, stehn wir nie wieder auf
Frank Viehweg © 2013 |